Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit

Blutgefäße gibt es überall im Körper, deshalb kann bei der Sichelzellkrankheit jedes Organ betroffen sein. Es gibt einige Probleme die nur bei Kindern bzw. nur bei Erwachsenen auftreten. Auf dieser Seite finden Sie die wichtigsten und häufigsten Krankheitsmanifestationen bei Kindern und Erwachsenen.


Chronische hämolytische Anämie

Viele Sichelzellpatienten, vor allem mit den Formen HbSS, HbSß Thal und HbSD, haben eine Anämie (= Blutarmut), weil ihre roten Blutkörperchen nur 10 – 12 Tage leben (= Hämolyse), und nicht, wie bei Gesunden, 120 Tage. Das Hb liegt bei diesen Sichelzellpatienten zwischen 6 -9 g/l, die Retikulozyten, die anzeigen, wieviel neue rote Blutkörperchen gebildet werden, sind hoch (10-20%). Diese Anämie wird gut vertragen, weil der Körper ja daran gewöhnt ist, und das HbS den Sauerstoff leichter in die Gewebe abgibt als das gesunde HbA.

Bei Erwachsenen mit HbSC oder HbSLepore ist das Hb oft so hoch, dass durch die Dickflüssigkeit des Blutes (Viskosität) Probleme entstehen und der Hb-Wert durch Aderlässe gesenkt werden muss.

Die ständige (= chronische) Anämie bei einigen Formen der Sichelzellkrankheit hat zur Folge, dass diese Sichelzellpatienten zwar Sport treiben können und dürfen, sie sind aber nicht so leistungsfähig wie andere Kinder. Eltern von Sichelzellpatienten müssen den Sport-Lehrern sagen, dass es nicht Faulheit ist, wenn ihr Kind im Sportunterricht plötzlich aufhört, weil es an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen ist, sondern bedingt ist durch die Anämie. Es gibt keinen Grund einen Sichelzellpatienten, der sonst keine Probleme hat, zu transfundieren, nur, weil seine Hb-Werte niedriger sind als bei Gesunden. Transfusionen sind notwendig, wenn das Hb absinkt auf Werte, die lebensbedrohlich sind.


Schmerzen

Schmerzkrisen entstehen im Inneren von Knochen, im sog. Knochenmark, wo die Blutbildung stattfindet. Wenn ein Blutgefäß, das den Sauerstoff für das Gewebe liefern soll, verstopft ist durch Sichelzellen, kommt kein Sauerstoff mehr an dieses Gebiet im Knochenmark: es zerfällt und stirbt ab. Um das abgestorbene Knochenmark sammelt sich Flüssigkeit an, die viel Platz einnimmt und den Knochen dehnt. Knochen sind mit einer Haut (Periost) umgeben, die sehr empfindlich ist. Wenn sie gedehnt und gespannt wird, durch die Flüssigkeit um das tote Gewebe im Knochenmark, entstehen sehr heftige Schmerzen.

Abb. 6: Schmerzkrisen

Bei Kindern unter 3 Jahren sind die Schmerzen häufig in Händen und Füssen, die dann geschwollen sind.

Abb. 7: Kinderhand

Ältere Kinder haben meist Schmerzen in Armen und Beinen, Erwachsene in Rücken, Becken, Rippen und Brustbein. Bei Erwachsenen kann es zusätzlich zu den für sie bekannten Schmerzkrisen zu chronischen Schmerzen kommen, für die eine Ursache gesucht werden muss, die man behandeln kann: Nekrosen von Hüft-bzw. Oberarmkopf? Magengeschwür? Unterschenkel-Ulzera? Zusätzliche Rheuma-Erkrankung?

In manchen Fällen findet sich keine fassbare Ursache der chronischen Schmerzen und es muss versucht werden, die Schmerzen durch Medikamente, die dauerhaft genommen werden, zu lindern.


Infektionen

Sichelzellpatienten haben lebenslänglich, allerdings vermehrt in den ersten 5 Lebensjahren, ein erhöhtes Risiko, schwere Infektionen durch Bakterien (vor allem Pneumokokken) zu bekommen. Die schwersten und bedrohlichsten Infektionen, bei denen sich die Bakterien (= Eitererreger) sehr schnell im Blut oder im Liquor (= Flüssigkeit um das Gehirn und Rückenmark) vermehren, verursachen Fieber, ohne dass Erkältungszeichen wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit oder Durchfall vorhanden ist. Starke Kopfschmerzen bei hohem Fieber können das erste Anzeichen sein für eine eitrige Meningitis (= Hirnhautentzündung).

Fieber ist ein sehr wichtiges Warnzeichen. Es bedeutet: Achtung – eine Infektion! Auf keinen Fall darf bei fiebernden Sichelzellpatienten das Fieber gesenkt werden, weil dann ein wichtiges Krankheitszeichen zur Beurteilung des Patienten wegfällt. Fieber ist außerdem auch eine wichtige Hilfe in der Bekämpfung einer Infektion: Fieber aktiviert körpereigene Abwehrkräfte. Deshalb sollten nur in Ausnahmefällen fiebersenkende Mittel gegeben werden.

Jedes Kind unter 5 Jahren, das Fieber hat über 38,5 Grad muss stationär aufgenommen und antibiotisch behandelt werden.

Kinder über 5 Jahre und Erwachsene mit Fieber müssen vom Arzt untersucht werden. Es hängt vom Allgemeinzustand und von der Entfernung, in der die Familie lebt, ab, ob solch ein Sichelzellpatient zu Hause oder im Krankenhaus betreut werden kann.

Nicht nur Bakterien, sondern auch Viren können Sichelzellpatienten krankmachen. Es gibt ein Virus, das Parvovirus B19, das die Ringelröteln verursacht, eine für sonst gesunde Kinder harmlose Infektion mit einem Ausschlag. Menschen, deren rote Blutkörperchen sehr schnell abgebaut werden (chronische Hämolyse) und deshalb im Knochenmark, wo die Blutbildung stattfindet, sehr viele rote Blutkörperchen neu bilden müssen, sind sehr krank, wenn sie angesteckt werden mit dem Parvovirus B19: sie können u. a. hohes Fieber haben, starke Kopfschmerzen, Durchfall, Erbrechen, aber sie haben keinen Ausschlag. Das Wesentliche ist aber, dass im Knochenmark keine roten Blutzellen mehr gebildet werden, weil das Parvovirus die Produktion behindert. Der rote Blutfarbstoff sinkt auf sehr niedrige Werte und es gibt keine Retikulozyten mehr. Man nennt diese Situation „aplastische Episode“. Sehr oft ist eine Transfusion notwendig, um dem Körper die wichtigen Sauerstoffträger zu ersetzen. Meist fängt die eigene Produktion der roten Blutkörperchen nach 5-10 Tagen wieder an. Eine Parvovirus B19 Infektion kann man nur 1 x im Leben haben.


Milzsequestration

Als Milzsequestration wird eine lebensbedrohliche Situation bezeichnet, bei der fast alles Blut, das eigentlich durch den Körper fließen muss, in der Milz, die riesengroß wird, zurückgehalten wird und nicht mehr für den Kreislauf zu Verfügung steht. Es entwickelt sich ein Schockzustand mit sehr hohem Puls, niedrigem Blutdruck und extremer Blässe.

Eine Milzsequestration kann sich sehr rasch entwickeln und innerhalb weniger Stunden zum Tod führen. Kinder mit einer Sichelzellkrankheit HbSS können bis zum 6.-8. Lebensjahr, Sichelzellpatienten mit den gemischten Formen HbSß-Thal und HbSC bis ins Erwachsenenalter solche Milzsequestrationen bekommen. Es fängt meist mit Bauchschmerzen an, dann werden die Kinder blass, schlapp und wollen nicht mehr essen. Manchmal ist Fieber dabei.

Jedes Kind mit Sichelzellkrankheit das Bauchschmerzen hat, muss zum Arzt gebracht werden um die Größe der Milz zu überprüfen. In den meisten Fällen einer Milzsequestration ist eine Bluttransfusion notwendig. Wenn das Hb (roter Blutfarbstoff) sehr stark abgefallen ist bei einer Milzsequestration muss so bald wie möglich die Milz chirurgisch entfernt werden (= Splenektomie).

Um möglichst früh eine Milzsequestration zu entdecken wird Eltern von Säuglingen und Kleinkindern beigebracht, bei jedem Wickeln die Größe der Milz festzustellen. Ist plötzlich die Milz, die normalerweise unter dem linken Rippenbogen versteckt ist, tastbar, muss der Arzt aufgesucht werden.


Lungenprobleme

Das Akute-Thorax-Syndrom ist eine Lungenkomplikation, die es nur bei Sichelzellpatienten gibt. Es entwickelt sich häufig während oder nach einer Schmerzkrise und fängt meist an mit Schmerzen im Brustkorb. Dann kommt Fieber, schnelles Atmen und Kurzatmigkeit dazu.

Jeder Sichelzellpatient mit Schmerzen im Brustkorb muss vom Arzt gesehen und es muss die Lunge geröntgt werden. Schmerzen im Brustkorb sind ein Grund zur stationären Aufnahme.

Bei Sichelzellpatienten ist Asthma häufiger als in der Normalbevölkerung. Es muss versucht werden, es gut einzustellen mit Inhalation von Bronchen-erweiternden Mitteln.


Priapismus

Eine schmerzhafte, andauernde Erektion (= Priapismus) kann bei Kindern und Erwachsenen auftreten und ist ein Grund, den Arzt aufzusuchen. Es gibt ein Medikament, Effortil, das wiederholte Priapismus-Episoden verhindern kann.


Nierenprobleme

Blutiger Urin ohne Schmerzen kann plötzlich auftreten. Die Ursache ist ein Gefäßverschluss in einem Teil der Niere, der ins Nierenbecken ragt. Durch Ultraschall muss eine andere Blutungsursache ausgeschlossen werden. Meist hört die Blutung von selber wieder auf, hilfreich ist Bettruhe. Viel trinken ist wichtig, damit es keine Blutgerinnsel im Harnleiter gibt.

Die Niere von Sichelzellpatienten kann den Urin nicht konzentrieren. Wenn ein Gesunder an einem heißen Tag viel schwitzt und wenig trinkt, scheidet er ganz wenig, sehr konzentrierten (dunklen) Urin aus, da die gesunde Niere automatisch so viel Flüssigkeit zurückbehält, wie es der Kreislauf benötigt. Dafür wird dann beim Urin gespart.

Wenn ein Sichelzellpatient am gleichen heißen Tag viel schwitzt und wenig trinkt, scheidet er trotzdem viel hellen (nicht konzentrierten) Urin aus, da die Nieren nicht in der Lage sind, den Urin zu konzentrieren und damit Flüssigkeit für die Bedürfnisse des Körpers zu sparen. Das Blut wird dickflüssig und es kann dadurch zu einer Schmerzkrise kommen.

Sichelzellpatienten müssen deshalb schon unter normalen Bedingungen mehr trinken als Gesunde. An heißen Tagen oder bei großen körperlichen Anstrengungen erhöht sich die notwendige Trinkmenge noch. Als Getränk kommt nur Wasser, am besten Leitungswasser, in Frage. Limonade, Saft, Cola sollten nicht getrunken werden, da sie die Zähne kaputt machen und dem Körper viel zu viel Zucker zuführen.

Eine Nierenschädigung kann sich schon bei Kindern durch eine Eiweiß-Ausscheidung im Urin zeigen. Ab dem 6. Lebensjahr muss der Urin mindestens 1 x im Jahr auf Eiweiß untersucht werden.


Schlaganfälle

Sichelzellpatienten mit den Formen HbSS, HbSß°-Thal, HbSD und HbSOArab haben ein Risiko von 10-15%, in der Kindheit einen Schlaganfall zu erleiden durch ein verstopftes Blutgefäß im Gehirn. Durch eine Ultraschall-Untersuchung des Kopfes (Trans-cranielle Doppler-Sonographie = TCDS), bei der die Geschwindigkeit gemessen wird, mit der das Blut durch die Arterien des Gehirns fließt, kann man bei diesen Kindern zwischen 2 – 16 Jahren herausfinden, wer ein hohes Risiko hat, einen Schlaganfall zu bekommen.

Mit regelmäßigen Transfusionen über viele Jahre kann dieses Risiko wesentlich verkleinert werden. In Deutschland wird diese Untersuchung an vielen Kliniken durchgeführt.

Nach einem Schlaganfall muss ein Sichelzellpatient über viele Jahre Bluttransfusionen in regelmäßigen Abständen bekommen, damit es nicht zu einem 2. Ereignis kommt. Wenn ein solcher Patient ein Geschwister hat, das als Spender geeignet ist (= HLA-identisch ist) sollte eine Stammzell-Transplantation (SZT) durchgeführt werden.


ℹ️ Wichtige Tipps für Kinder

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